Stich-Worte der Liebe - eine Zwischenbilanz
Kirchliche Trauung von Ariane & Armin
am 10. August 2002
in der Sankt-Marien-Kirche
zu Langhurst
Predigt von P. Dr. Benno Kuppler SJ
Lesungen:
Kol 3, 12 - 17
Joh 15, 1-17
Liebe Ariane, lieber Armin,
liebe Angehörige und Freunde,
Schwestern und Brüder im Glauben,
Ihr Beide, liebe Ariane, lieber Armin, seid heute in Eure Pfarrkirche gekommen, um vor Gott und der christlichen Gemeinde das Ja öffentlich auszusprechen, das Ihr Euch schon vor längerer Zeit zugesprochen habt. Ihr wollt, dass Eure Ehe vor Gott als das angesehen wird, was sie für Euch bedeutet: Das unbedingte Ja zueinander, der Ausdruck gegenseitiger unbedingter Liebe.
Das wollt Ihr und wollen wir alle, die zu diesem Gottesdienst in die Kirche gekommen sind, mit Euch feiern. Ihr könnt Euch trauen und wir können uns mit Euch darüber freuen, weil wir wissen: Gott ist treu.
„Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe." So werdet Ihr, liebe Ariane, lieber Armin, Euch in wenigen Minuten gegenseitig versprechen, und wir alle sollen Eure Zeugen sein.
Mut gehört dazu, meine ich, einander dieses Wort der Treue zuzusprechen. Aus Übermut - so scheint mir - ist es unmöglich für einen Menschen, solch ein Wort der Treue einem anderen zuzusprechen.
„Stich-Worte der Liebe - eine Zwischenbilanz", so habe ich meine Hochzeitspredigt überschrieben. Denn jeder, der später noch einmal Euer Text- und Liederheft für diese Trauung durchschaut, wird oft, sehr oft die Worte „Liebe" und „lieben" finden. Das gehört sich ja für eine Trauung - wird sich mancher sagen. Aber es gibt noch andere Worte in diesen Texten, Stich-Worte nenne ich sie, weil es Worte sind, die stechen, Stich-Worte, die so gar nicht zu einer Hochzeit zu passen scheinen. Diese Stich-Worte will ich betonen, weil sie das Generalthema „Liebe" konkret machen. Sie stellen das Wechselgeld des Wertpapiers „Liebe" im Alltag dar, weil diese Stich-Worte ausbuchstabieren, was „Liebe" ist, wenn sie nicht Schall und Rauch, Illusion, Wolkenkuckucksheim sein soll. Und „Zwischenbilanz": Eure Beziehung geht in verbindlicher, sakramentaler Weise weiter. Da gilt es bei der Hochzeit festzuhalten, was bisher schon da ist an gemeinsamen Werten in Euer Beziehung.
Den Abschnitt aus dem Kolosserbrief des Paulus, den wir als Lesung hörten, haben Ariane und Armin als Text für ihre Hochzeitsmesse ausgewählt, ebenso die Lieder und Texte. Das Johannes-Evangelium vom Weinstock habe ich dazu gefügt, weil die menschliche Liebe in den größeren Rahmen der Liebe Gottes in Jesus Christus zu uns Menschen gestellt wird. Wir haben gehört: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe." und „Dies trage ich euch auf: Liebt einander!" Und dann passt das Evangelium vom Weinstock gut zum „Rebstock", wo wir mit Euch diese Agape, das Fest Eurer Liebe, weiterfeiern werden.
„Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe." So werdet Ihr, liebe Ariane, lieber Armin, Euch gleich gegenseitig versprechen, und wir alle sollen Eure Zeugen sein.
Und die Treue Gottes macht es uns Menschen erst möglich, treu zu sein, und befähigt Euch, Ariane und Armin, das Wagnis einzugehen, Euch gegenseitige Treue bis in den Tod zu geloben. Aber beim einmaligen Versprechen der Treue kann es nicht stehen bleiben. Weil Ihr einmal zueinander gesagt habt, ich will dir treu sein, hat sich noch nichts wesentliches getan, wenn ..., ja wenn Ihr beide nicht versucht, diese Treue zu leben. Und dann ist Treue nichts Abstraktes, nichts Akademisches, dann ist Treue alltägliches Leben.
Für diesen Euren Alltag bedarf es not-wendiger Grundlagen. Sicherlich, da fallen einem zunächst die materiellen Grundlagen ein: das Einkommen zum Auskommen, eine Wohnung als Beheimatung. Vielleicht denkt der eine oder andere auch an die Gesundheit. Ihr selbst kennt die Sorge und Fürsorge, wenn Schatten die Gesundheit verdunkeln.
Aber, da gibt es noch eine Grundlage, die Ihr, Ariane und Armin, und ich und all die anderen, die heute mit Euch feiern, nicht mit Händen greifen können, weil sie nicht materiell ist. Eine Grundlage, die keiner für Geld und gute Worte kaufen kann. Eine Grundlage, die aber jedem Christen geschenkt ist, als Grundausstattung für das Leben, auch als Mitgift für die Ehe: die Gnade des Glaubens.
In der Taufe ist Euch beiden, Ariane und Armin, wie jedem Christen, dieses Geschenk der Gnade unverdient und umsonst zuteil geworden. Aber mir will scheinen, in unseren Tagen gilt, was der Volksmund so ausdrückt: „Was nichts kostet, das ist auch nichts!" Die Gnade haben wir umsonst empfangen, hoffentlich aber nicht umsonst!
Wenn Ihr beide, Ariane und Armin, Euch heute vor Gott und der Kirche hinstellt und sagt: ja, wir sind getauft, wir haben „gratis", umsonst, die Gnade empfangen, dass Gott unser Vater ist, dann drückt Ihr damit auch Hoffnung aus. Die Hoffnung nämlich, Euer Leben auszurichten an Gott, der ein Gott des Lebens ist.
Gott ist treu zu Euch gewesen in Eurem bisherigen Leben, auch in Situationen, in denen Ihr Beide das auf den ersten Blick nicht gesehen habt, in denen Ihr Beide vielleicht nicht ausdrücklich an Ihn gedacht habt, weil Eure Sorge den Blick auf Ihn verstellte. Gott bleibt bei Euch und ist mit Euch. Gott ist treu. Gott ist die Treue.
Das ist einfacher gesagt als geglaubt, das ist einfacher gesagt als gelebt. Das wisst Ihr und das weiß jeder, der ehrlich sein eigenes Leben anschaut.
Wenn der äußere Rahmen so feierlich ist wie bei Eurer Hochzeit und alle froh gestimmt sind wegen Eurer Hochzeit, dann gehört so ein frommer Satz dazu, fällt es einfacher, das auszusprechen, vielleicht erwartet Ihr das auch. Aber die Aussage: „Gott bleibt bei Euch und ist mit Euch. Gott ist treu. Gott ist die Treue." muß im Alltag gelebt werden, erfährt ihre Gültigkeit im Vollzug des Lebens.
Deshalb ist es mir wichtig und halte ich es für richtig, die Stich-Worte zu nennen, die Ihr selbst in den Texten und Liedern versteckt habt, die anklingen, wenn wir singend das Fest Eurer Hochzeit feiern. Stich-Worte, die sich in Hauptworten und Tätigkeitsworten kleiden.
Substantive-Hauptwörter
Freiheit
Träume
versklavtes Ich
Zuhause
Gitter
Gefängnis
Steine
Angst
auserwählte Heilige
aufrichtiges Erbarmen
Güte
Demut
Milde
Geduld
Liebe als Band
caro mio
mein Herz
für alle Ewigkeit
Hoffnung
Vertrauen
gemeinsamer Weg
Freude und Glück
Einsamkeit und Enttäuschung
Zuversicht
Kinder
gemeinsames Leben
bisheriger Lebensweg
Hilfe und Verständnis
Eltern und Verwandte und Freunde
Achtung und Liebe
Frieden untereinander
Grundlage für den Frieden in der Welt
Gemeinschaft
Hilfe und Liebe
Himmel und Erde
Verben-Tätigkeitsworte
wohnen
gehen
etwas daraus machen
freisprechen
Wurzel schlagen
lieben
gegenseitig ertragen
einander vergeben
einander lieben
vollkommen machen
ich liebe dich
weinen
meine Hand halten
hüten
beschützen
in meinen Armen halten
unzertrennlich sein
dir gehören
glücklich werden
wachsen in der Liebe
offen sein
alleine sein
verbittern
Gemeinschaft suchen
begegnen
sich vergessen
Wege verlassen
neue beginnen
berühren
verschenken
Liebe bedenken
sich verbünden
Hass überwinden
So habt Ihr Beide, liebe Ariane, lieber Armin, Euch gleichsam für die Zeit nach der Hoch-Zeit ein Vademecum angelegt, in das Ihr immer wieder zur Hand nehmen könnt. Die Themen und Anliegen werden Euer gemeinsames Leben durchziehen. Aber auch für uns, Eure Gäste, sind es wichtige Stich-Worte.
Paulus hat seinen Kolosserbrief nicht als Hochzeitsbrief geschrieben. Er will jedem Christen klarmachen: In der Taufe sind wir mit Christus zu einem neuen Leben auferstanden, ein neuer Mensch geworden. Im Schlussteil des Kolosserbriefes zieht er die Konsequenzen, die sich daraus für die konkrete Lebensgestaltung ergeben. Die neue Beziehung zum Auferstandenen gibt dem gesamten Streben eine neue Orientierung, ein „himmlisches" Ziel. Zwar steht unsere Vollendung am Ende der Tage bei Gott noch aus, doch soll schon jetzt die Wahrheit und Liebe Christi durch unsere Lebensführung sichtbar werden. Das gilt für unser Brautpaar und für jeden von uns.
Sicherlich ist das größte Gebot das Gebot der Liebe. Und das buchstabiert Paulus für uns aus: Legt die Liebe an, sie ist das Band der Vollkommenheit. Das bedeutet: ertragt einander und verzeiht einander; habt herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut und Geduld.
Aber: diese Tugenden, die nicht nur Ariane und Armin in ihrer Ehe leben wollen, sondern die jeder von uns im Zusammenleben üben kann, diese Tugenden werden nur dann zu inneren Haltungen, wenn das Wort Christi reichlich in uns wohnt; wenn wir einander belehren und ermahnen, und keiner den Anspruch erhebt, er alleine sei im Besitz der Wahrheit. Und erinnern wir uns an das drei-fach ein-fache Gebot: Gott lieben, den Nächsten lieben, sich selbst lieben. Überlege jeder einmal für sich: wann habe ich zum letzten Male zu mir selbst gesagt; Ich mag mich, so wie ich bin: mit meinen starken und guten Seiten, und trotz und mit meinen schwachen und dunklen Seiten. Ist das nicht schwer?!
Wir alle, liebe Schwestern und Brüder, sind heute auf verschiedenen Wegen nach Langhurst in die Marienkirche gekommen, um mit Ariane und Armin Eucharistie zu feiern, weil sie ihren gemeinsamen Lebensweg heute vor Gott und den Menschen mit dem Versprechen gegenseitiger Treue in Liebe krönen wollen. Anlass für viele Stich-Worte und eine Zwischenbilanz.
Euer Ja-Wort, liebe Ariane, lieber Armin, innerhalb der Eucharistie, der großen Danksagung der Kirche, wird hineingenommen in jenes große und einmalige Wort Jesu, das er seinen Jüngern gegeben hat, ehe er in Liebe sein Leben hingab für seine Freunde: Das ist mein Leib. Das ist mein Blut. Diese so einfachen Zeichen von Brot und Wein sind Symbol jener großen Liebe, die Jesus zu uns Menschen hatte und hat. Sein Wort, dem wir vertrauen dürfen, macht diese Gaben der Erde zu seinem Fleisch und Blut: damit wir eins werden, wie er mit dem Vater eins ist. „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!"
Liebe Ariane, lieber Armin, Ihr werdet jetzt vor Gott und den Menschen einander Euer Wort schenken. Ihr werdet so eine Einheit miteinander begründen, die tiefer reicht, als alle Zeichen und jede Sprache es ausdrücken können. Eure Ringe sind Zeichen dieser tiefen Verbundenheit. Eure Hochzeitskerze ist der stummer Zeuge Eurer Liebe, so schreibt Ihr im Text- und Liederheft. Daneben habt Ihr Petra Armbruster und Wolfgang-Jürgen Kempf als Eure lebenden Trauzeugen gewählt.
Lasst Eure Liebe Gestalt annehmen.
Lasst uns, die wir hier zugegen sind, mit Euch Wegstrecken Eures Lebens gehen. Nicht nur heute, wenn wir feiern und froh sind, auch wenn es Wolken und Schatten gibt im Leben. Sagt uns aber auch, wenn wir Euch zu nahe auf die Pelle rücken, weil Ihr Raum füreinander braucht. Gestaltet Euren Lebens- und Liebesraum, dass Ihr Euch darin wohl fühlt und beheimatet seid. Hört Ratschläge an und entscheidet dann selbst. Denn Rat-Schläge sind wie Stich-Worte, sie können auch wehtuen. Nehmt Euch immer wieder Zeit für eine Zwischenbilanz und schaut nach den Stich-Worten, die jetzt für Euch wichtig sind.
So wie nicht jeder Tag Hoch-Zeit ist, an dem sich zwei Menschen einander ausdrücklich Liebe zusprechen und versprechen, so bedarf es vielfältiger, alltäglicher Formen, um immer wieder neu die alte-junge Liebe zu leben.
Ich wünsche Euch, liebe Ariane, lieber Armin, dass Ihr immer neue Wege entdeckt in Eurer Liebe, dass Ihr aber auch die Erfahrung machen dürft, dass Euch Menschen begleiten, nicht nur am Hochzeitstag, sondern gerade auch in den alltäglichen Situationen und Ereignissen.
Und vielleicht fühlen wir uns ermutigt, wenn wir nun Zeugen der Liebeserklärung zwischen Ariane und Armin werden, selbst wieder einmal die Geschichte unserer Liebe zu betrachten, diese Liebe wie einen Rebstock zu pflegen und zu hegen, damit sie Frucht bringt im gegenwärtigen Leben und für die Ewigkeit.
Amen.